Rücksicht auf die Landschaft, Vernunft beim Bauen

Rücksicht auf die Landschaft, Vernunft beim Bauen

Es hat nun schon einige Jahre Tradition, dass im überregional bekannten Schlierseer Kulturherbst neben den vielen
anderen Disziplinen des Schönen und Erhebenden auch die Kunst der Architektur ihren Platz bekommt. In diesem Jahr blickte man über die Alpen nach Südtirol – und durfte sich auf den Fachvortrag von Michaela Wolf aus dem renommierten Architekturbüro bergmeisterwolf aus Brixen freuen. Der Abend wurde vom Architekturforum Miesbacher Kreis kuratiert und lockte etwa 80 interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer in das Heimatmuseum
Schliersee.

Das erste Grußwort hielt Organisator Johannes Wegmann, selbst Architekt und langjähriges Mitglied des Miesbacher Forums und mahnte zur Sorgsamkeit beim Planen und Bauen, und zwar unter anderem mit einem plakativen Zitat des berühmten Schweizer Architekten und Hochschullehrer Luigi Snozzi: “Jeder Eingriff in die Natur bedingt eine Zerstörung: Zerstöre mit Verstand!”

Er übergab das Podium im Anschluss dem Schlierseer Altbürgermeister Toni Scherer, seines Zeichens ebenfalls Architekt und Mitglied des Architekturforums. In launigen Worten bekräftigte er die Verwandt- und Freundschaft zwischen Südtirol und dem hiesigen Landkreis beschreibend und ließ sich am Ende auch den Hinweis nicht nehmen, dass es ja gerade dieser Tage in Schliersee nicht unwichtig sei, sich aufmerksam mit Bauvorhaben auseinanderzusetzen.

Die Hauptreferentin Michaela Wolf gewährte dem Publikum spannende Einblicke in die Projekte ihres Büros, die in den letzten siebzehn Jahren in einer Landschaft entstanden sind, die in vielerlei Hinsicht der des Landkreises Miesbach gleicht. Beide Gegenden blicken auf eine jahrhundertealte agrarsoziale Geschichte zurück und müssen ihre Landschaft vor Siedlungsdruck und Overtourism schützen. So entstehen bei bergmeisterwolf Gebäude, die sich auf die Umgebung beziehen, diese verankern und teilweise neu definieren. Trotzdem gelingt es dem Architektenduo, sich der modernen Formensprache und zeitgemäßen gesellschaftlichen Prämissen zu verpflichten.
Die Herausforderung, wie man Bauherren, Gemeinderäte und die Bewohner der Südtiroler Gemeinden für diese moderne Architektursprache gewinnen könne, fand am Ende des Vortrags großen Anklang. Die Antwort von Michaela Wolf war klar: „Wir hören in der Kommunikation nicht auf. Wir gehen alle so lange aufeinander zu, bis das letzte Wort gesprochen ist. Hier ist von allen Seiten Beharrlichkeit gefragt.“

Michaela Wolf konnte mit ihrer Präsentation Impulse setzen und zum Nachdenken anregen – nicht nur die Kulturlandschaft ist der unseren sehr ähnlich, sondern auch die Herausforderungen der Zeit und die hoffentlich vernünftigen Lösungen. Und so dürfte sich manche oder mancher aus dem Publikum auch an den einen oder anderen baukulturellen Grabenkampf im Landkreis erinnert gefühlt – und vielleicht sogar zu neuen Blickwinkeln verführt haben lassen. Kultur ist Diskurs – das gilt auch und vor allem für die Baukultur, und so konnte das Architekturforum Miesbacher Kreis über das hochkarätige Kulturprogramm der Schlierseer hinaus wieder einmal für einen kleinen Höhepunkt der anderen Art sorgen.