Gemeinsam statt einsam. Wie wollen wir wohnen?

Gemeinsam statt einsam. Wie wollen wir wohnen?

Werben für ein Umdenken im Miteinander: Architektin Karin Drexler spricht in Weyarn über den Mut, das Wohnen und Zusammenleben neu zu gestalten.

Ein weiteres Mal bot das Architekturforum Miesbacher Kreis interessierten Bürgerinnen und Bürgern des Landkreises einen hochkarätigen Themenvortrag mit anschließender Diskussion zu einer der drängendsten strukturellen Herausforderungen in unseren Städten und Gemeinden. Im Weyarner Pfarrsaal ging es unter dem Motto „Gemeinsam statt einsam. Wie wollen wir wohnen?“ um nichts weniger als die Zukunft des Wohnens.

Moderiert von Forumsvorstand Werner Pawlovsky führte nach einem themenbezogenen Grußwort von Bürgermeister Leonhard Wöhr die renommierte Architektin und Prokuristin der Max von Bredow Baukultur GmbH, Karin Drexler, durch den Abend – einen Abend, der nicht nur ein Fachvortrag im eigentlichen Sinne sein sollte, sondern auch eine Meditation, eine Gelegenheit, Gewohnheiten zu hinterfragen und sich für neue Perspektiven Zeit zu nehmen.

Musikalisch umrahmt von atmosphärischen Solostücken der studierten Harfenistin Helena Glockner gliederte Drexler ihre „Denkimpulse“ in drei Themenbereiche:

Sie verwies auf die veränderten Prämissen, die durch Home Office, Siedlungsdruck, Klimaschutz und hohe Bau- und Grundstückspreise entstanden sind und betonte das Erfordernis, sich miteinander und konstruktiv auf das Bauen, Wohnen und Zusammenleben unter neuen Vorzeichen einzulassen.

„Es gibt keine oder nur wenige Best-Practice-Beispiele zu diesem Thema: Wir müssen uns miteinander überlegen, wie wir Platz schaffen für junge Familien, während auf der anderen Seite für Senioren ihre Einfamilienhäuser zu groß geworden sind. Wir müssen Akzeptanz schaffen für die Teilbarkeit von Bausubstanz – ähnlich wie beim Car-Sharing“, so Drexler.

Im zweiten Abschnitt widmete sich Drexler der Zukunft des Wohnens in der Gemeinschaft. Drexler sprach über das Verschwinden traditioneller Treffpunkte wie Kirchen, Gasthäuser, Dorfläden oder Stammtische – und einer immer stärkeren Segmentierung in Milieus und Generationen.  „Hier sprechen wir von einer ‚Mission Mischen‘ – also Jung und Alt ebenso wieder zusammenzubringen wie diejenigen, die in einem Quartier wohnen oder arbeiten. Gemeinschaft ist eine Ressource, die wir wieder nutzen müssen!“

Im dritten Teil des Vortrags widmete sich Drexler der Frage „Wo bin ich Teil einer Gemeinschaft?“. Sie stellte heraus, dass besseres Bauen zu besserem Wohnen führt und erläuterte, was Architektur dazu beitragen kann. Der Bedarf an Wohnraum ist höher denn je, und jeder Quadratmeter muss architektonisch durchdacht sein, um den hohen Baukosten Rechnung zu tragen. Auch bei Gemeinschaftsflächen und Projekten muss der Rückzugsraum gewährleistet sein. Drexler hob hervor, dass Bürgerbeteiligung und Architektenexpertise in einem partizipativen Prozess lebendige Quartiere schaffen können.Dabei appellierte sie an den Mut zum Ausprobieren und die Bedeutung der Gemeinschaft für Lebensqualität und Gesundheit.

So überzeugend und wertvoll die Denkanstöße der Expertin beim Publikum ankamen – unter ihnen fanden sich auch einige Landkreisbürgermeister – so engagiert verlief im Anschluss auch die offene Diskussion über die Rahmenbedingungen der Politik, die Hürden beim „Wohnungstausch“ und den Stellenwert der Gemeinschaft in der Landkreisgesellschaft.

Wer diese Veranstaltung versäumt hat oder tiefer ins Thema einsteigen möchte, sollte sich den „Baukulturtag 2024“ im ehemaligen Münchner Gasteig vormerken – auch hier wird Karin Drexler als Sprecherin und Moderatorin anzutreffen sein.